Haushaltsrede unseres Fraktionsvorsitzenden Helmar Roder

14.04.2024

Heute wurden Stadtrat die Haushaltsberatungen abgeschlossen. Hier finden Sie die Rede im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, 
sehr geehrte Damen und Herren, 
sehr geehrte Vertreter der Presse,

Ich möchte heute mit den positiven Dingen anfangen, die unsere
Bundesregierung in letzter Zeit auf den Weg gebracht hat.

Einstimmig und mit für Ampelverhältnisse sehr kurzer Beratungszeit wurde
das Kiffen von Cannabis legitimiert. Offensichtlich ist man sich bei diesem
vermeintlich wichtigen Thema, schnell einig geworden. Es scheint präzise
formuliert und durchdacht, einfach in der Überprüfung. Sogar die
Feinwaagen sind in alle Polizeiwagen und Ordnungsämter verteilt worden.

Etwas länger hat die Umsetzung der Grundsteuerreform gedauert. Da sie
nach 6 Jahren immer noch nicht endgültig durchdacht ist, überlässt man
die Umsetzung dieser wichtigen Einnahmequelle für die Kommunen
den Kommunen selbst.

„Das Bundesverfassungsgericht hat das derzeitige System der
grundsteuerlichen Bewertung im Jahr 2018 für verfassungswidrig
erklärt, da es gleichartige Grundstücke unterschiedlich behandele und
so gegen das im Grundgesetz verankerte Gebot der
Gleichbehandlung verstoße.“

In den FAQ des Bundesfinanzministeriums steht weiter:
„Einige werden mehr Grundsteuer bezahlen müssen, andere weniger.
Das ist die zwingende Folge der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts und – angesichts der aktuellen
Ungerechtigkeiten aufgrund der großen Bewertungsunterschiede
durch das Abstellen auf veraltete Werte – unvermeidbar.“
Allein, dass die einzelnen Bundesländer unterschiedliche
Berechnungsgrundlagen ansetzen, führt sicherlich zu einer
unterschiedlichen Behandlung und Besteuerung gleichartiger
Grundstücke. Die Grundsteuerreform wird bestimmt noch viele Gerichte
beschäftigen.

Doch was bedeutet die Reform für die Stadt Altena und deren Bürger
mit einem aktuellen, sehr hohen Hebesatz von 910 Punkten?

Wir alle haben uns an den hohen Hebesatz und den damit
einhergehenden Grundsteuer-Betrag gewöhnt, gewöhnen müssen.
Die Festlegung dieses hohen Hebesatzes führte mit anderen
Einsparungen dazu, dass rd. 25 Millionen Schulden in den
vergangenen Jahren abgebaut werden konnten. Aktuell betragen die
Einnahmen aus der Grundsteuer 5,4 Millionen €. Der Betrag soll sich
auch nicht erhöhen, sondern sich neu berechnet anders aufteilen. Die
jetzt stark unterschiedliche Bewertung des Grundvermögens wird
erkennbar zu erheblichen Verwerfungen führen.

Stand heute sieht es so aus, als ob die Besitzer von Ein- oder
Zweifamilien-Häusern die großen Verlierer werden. Sie werden die
Abwertung der Gewerbe- und Gemischten- Flächen ausgleichen
müssen.

Das Bund und Länder die Kommunen alleine lassen und die
Berechnung in deren Hände geben, ist unseriös. Im Moment gibt es
keine Software für die Berechnung nach neuem Muster, geschweige
denn für die Umrechnung aus den vorhandenen Programmen. Die
Neuberechnung der Grundsteuer soll aber zum 1.1.2025 erfolgen.
Die Verschiebung der Reform um ein Jahr wäre sicherlich sinnvoll.
Eine solide Berechnung und Vorbereitung halte ich für zielführender
als einen undurchdachten Schnellschuss mit einer hohen
Rechtsunsicherheit.

Kommen wir zu Straßen NRW:
Es ist immer gut, wenn man miteinander spricht. Insofern sehen wir es
positiv, dass ein städtebauliches Gespräch am 22.4.2024 mit Straßen NRW
und der Verwaltung stattfindet. Das jedoch die Ortsvorsteher, die sich
erfahrungsgemäß in ihren Ortsteilen sehr gut auskennen, nicht eingeladen
wurden, ist schon bedauerlich.

Aber das Wichtigste bei solchen Gesprächen sind die Ergebnisse, insofern
gehe ich davon aus, dass Lösungen für die drängendsten
Straßenbauprojekte in Altena gefunden werden:

Die Claas-Kurve: Wann und wie wird das Teilstück saniert?
Eine Vollsperrung für die Sanierung ist ebenso unrealistisch wie bei der
L698 kurz vor Dahle: Auch hier stellen wir uns viele Fragen:
Wann wird der begonnene Teilabschnitt fertiggestellt?
Wann wird bis zur Fußgängerampel weitergebaut?

Der Auftrag wurde ausgeschrieben und vergeben über die komplette
Strecke bis zur Fußgängerampel / Mühlenstraße. Warum wird davon
abgewichen? Ein Aufschieben bis nach der Fertigstellung der
Rahmedetal Autobahnbrücke ändert an der Problematik „Lieferverkehr“ gar nichts.

Ohne die Fertigstellung werden die zerstörten Kanäle in der L698 nicht
saniert, die auf halben Weg endenden Kabel von EnervieVernetzt, die für die
Energiewende benötigt werden, finden keinen Anschluss.
Auch hier fällt den kreativen Planern von Straßen NRW nur ein, dass unter
Vollsperrung weitergebaut werden muss. Die Auswirkungen für die
betroffenen Firmen scheint Straßen NRW egal zu sein.
Für die Sanierung der abgelasteten Brücke auf der B 236 über die
Eisenbahn muss eine Lösung gefunden werden.

Zusätzliche Einschränkungen der Verkehrswege für unsere Drahtindustrie
aber auch der Lieferverkehre für alle Handwerksbetriebe sind nicht
hinnehmbar. Den schwarzen Peter zwischen StraßenNRW und Bahn hin
und her zu schieben ist ebenfalls keine Lösung. Die Aussagen von Straßen
NRW vom Januar 2023, im Sommer 2023 hätten wir eine neue Brücke, ist in
weite Ferne gerückt. Man spricht aktuell vom Jahr 2026 – vielleicht.

Bisher konnte Straßen NRW mit kreativen Ideen noch nicht überzeugen.
Aber der Schilderwald wird immer dichter. Gut zu sehen auf der
Linscheidstrasse, auf der gefühlt alle 3 Meter ein Schild steht.
Die wichtigsten Schilder auf der L698 in Dahle sind: Straßenmarkierung
fehlt – neben der Reduzierung auf 30 Km/h, weil die Straße schlecht ist.
Ich hoffe nicht, dass der neue Trend lautet:
Schilder aufstellen, anstatt vernünftig zu sanieren.

Doch warten wir die Gespräche am 22.4.2024 erst einmal ab. Vielleicht
werden wir angenehm überrascht.
Kommen wir zum Wiederaufbauplan
Nur zur Erinnerung, wir sprechen jetzt von Schäden, die am 14.7.2021
entstanden sind.

Doch, es hat sich einiges getan in der Zwischenzeit.
Einige Bachläufe wurden beräumt, Geschiebefänge wurden freigeräumt
und werden regelmäßig von 2 Mitarbeitern des Baubetriebshofes
kontrolliert und gewartet.

Die Kamerabefahrung der Kanäle ist in vollem Gange und wird uns viele
unterirdische Zerstörungen aufzeigen. Neulich stand ich in Dahle neben
dem Monitor, auf den man sah, wie ein rund 1m langer Kamera-Wagen in
den Abgrund unter einem defekten Rohr zu versinken drohte. Die
Untersuchung musste abgebrochen und von der anderen Seite
weitergeführt werden. Aber wir haben ja schon einige Bilder im Ausschuss
und Rat gesehen.

An vielen Stellen wird von dem gewünschten Bürokratieabbau
gesprochen. Ganz genau sollte man sich in dem Zusammenhang einmal
die selbst geschaffenen Auflagen, Richtlinien, Ausschreibungen und
vorgeschriebenen Abläufe ansehen.

Hier könnte nach meiner Ansicht vieles schneller gehen.
In Anbetracht von Klimaveränderungen und zunehmenden Stürmen und
Umweltkatastrophen müssen dringend vereinfachte Verfahren zur
Anwendung kommen. Wir werden sonst kaum die Zeit haben, Schäden
abzuarbeiten bevor neue Schäden eintreten.

Wie geht es weiter beim Frei- und Hallenbad?
In der vergangenen Woche fand ein weiteres Gespräch mit der
Bezirksregierung statt. Große Teile der neusten Machbarkeitsstudie sind
abgestimmt. Kleinere Feinheiten sind kurz vor der finalen Abstimmung. Ich
hoffe, dass die gesamte Maßnahme kurzfristig genehmigt wird. Danach
kann die Ausschreibung und Suche nach einem Planungsbüro beginnen. Es
wäre ein großer Schritt in die richtige Richtung.

Bei den städtischen Finanzen haben wir nun ein Problem:
Die Einnahmen decken nicht die Ausgaben.
Nachdem in naher Zukunft das Eigenkapital wieder ins Positive schwenken
sollte, werden wir nach Hochrechnung des Kämmerers 2024 bei einem
Defizit von 6,806 Millionen Euro landen.

Wir verabschieden uns von einem ausgeglichenen Haushalt und langfristig
von einem nur noch leicht negativem Eigenkapital.
Wir haben in den vergangenen Jahren bereits einen Abbau von 25 Millionen
€ an Kassenkrediten erreicht. Einschnitte und Belastungen für die
Bürgerinnen und Bürger waren die Folgen. Notwendige Investitionen
konnten kaum oder gar nicht getätigt werden.

Nun ändert sich die Situation noch einmal viel gravierender:
Durch die Grundsteuerreform müssten die meisten von uns
noch einmal deutlich höher zur Kasse gebeten werden. Und das, selbst
wenn die Einnahmen der Grundsteuer auf bisherigem Niveau von 5,4
Millionen Euro gehalten werden soll.

Im vergangenen Jahr bestand die Möglichkeit, Mehrbelastungen durch
Corona und Ukraine-Krieg langfristig zu finanzieren.
Die Ampel-Regierung hätte es vermutlich Sondervermögen genannt.
In diesem Jahr soll die Heilung des Haushaltes durch einen „globalen
Minderaufwand“ beschönigt werden.

Man kürzt 2 % der Ausgaben, weil sie in dem Jahr sowieso nicht zum Tragen
kommen. Früher nannte man das „Sparen“.
Das machen wir doch bereits seit Jahren in einem viel größeren
Umfang.

Beim Lesen des Haushaltes ist mir ein globaler Minderaufwand bei der
Kreisumlage gar nicht aufgefallen. Die Kreisumlage steigt von Jahr zu Jahr,
wir müssen mit 12,56 Mio. € in diesem Jahr rechnen. Weitere erhebliche
Kostensteigerungen bei der MVG und dem Klinikum sind noch gar nicht
eingepreist.

Im Gegenzug sinken die Schlüsselzuweisungen um 1,5 Millionen Euro auf
9,09 Millionen €, weil wir gute Zahlen hatten und einen leicht positiven
Haushalt darstellen konnten.

Die Einnahmen lassen sich auf Kosten der Einwohnerinnen und Einwohner
nicht unbegrenzt steigern. Von sinkenden Einwohnerzahlen wollen wir
hierbei noch gar nicht sprechen.

Die Gewerbesteuer ist auf einem hohen Niveau und lässt sich nicht
erhöhen, ohne unseren Standort noch Unattraktiver zu machen.
Ausgaben werden uns teilweise aufdiktiert. Hier sei beispielhaft die
verbindliche Einführung der OGS erwähnt. Die notwendigen Umbauten
werden zu einem geringen Teil einmalig gefördert. Die Unterhaltung samt
den Personalkosten, einen viel größeren Teil, darf die Stadt langfristig und
dauerhaft übernehmen.

Zur Ehrlichkeit gehört auch, dass immer mehr Kommunen in der
Nachbarschaft einen defizitären Haushalt haben. Nur durch ihr noch
positives Eigenkapital, welches sie aufbrauchen, erzielen sie einen
ausgeglichenen Haushalt. Manche verkaufen ihr Abwasserwerk, oder
halbe Stadtwerke, um kurzfristig eine Überschuldung zu verhindern.
Doch kann das unser Ziel sein? Allen Besitz zu verscherbeln, um in ein paar
Jahren an der gleichen Stelle zu stehen?

Ist das die gewünschte, geforderte Nachhaltigkeit?

Vielleicht müssen wir signalisieren, dass wir gewisse Standards bei den
Ausgaben nicht einhalten können und wollen.
Im Moment steigen die Kosten in allen Bereichen, allein die Lohnkosten
sind durch die hohen Lohnabschlüsse erheblich gestiegen. Die errechneten
Pensionsrückstellungen gehen steil in die Höhe. Nicht falsch verstehen, wir
müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auch die der Stadtverwaltung
gut bezahlen, sie sind essenziell wichtig für unsere Verwaltung, für das
Funktionieren unserer Stadt.

Die Gerätehäuser in Evingsen, Rahmede und Drescheid sollen in den
kommenden Jahren neu gebaut werden. Gut, dass wir einen
Feuerwehrausschuss gebildet haben, der in dem Bereich genau auf die
Kosten schaut.

In vielen Bereichen kann die Verwaltung nur noch minimale Standards
erfüllen. Ausfälle durch Urlaub, Krankheit oder der EDV Ausfall der SIT
bringen die Teams an ihre Leistungsgrenzen. Änderungen, wie z.B. beim
Wohngeld führen zu noch mehr Arbeit, zu höherer Belastung der
Beschäftigten.

Ein Verschieben von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zum Beispiel
innerhalb des Sozialamtes ist auf Grund eines hohen
Spezialisierungsgrades kaum möglich. Um die Sachbearbeitung der
Abteilung Wohngeld von Telefonanrufen und Nachfragen zu entlasten,
wurde ein Mitarbeiter eines Personaldienstleisters angestellt. Im
Stellenplan sind weitere Veränderungen zur Entlastung der Beschäftigten
eingearbeitet worden, wir haben diesem bereits im Hauptausschuss
zugestimmt und werden ihm auch heute im Rat zustimmen.

Lassen sie uns noch einen Blick auf die Investitionen in diesem Jahr
werfen:
Die Straße „Am Kalkofen“ in Evingsen soll endlich seinen Endausbau
bekommen.
Im letzten Jahr bereits geplant, soll in diesem Jahr in Dahle die
Fahrbahndecke in den Teilen Hasenkampstr., Hochstr. und Hauptstr.
saniert werden.

Wir finden es gut, dass die Straßensanierung in diesem Jahr wieder Fahrt
aufnimmt. Auch wenn vielleicht nur 3 Straßen fertig werden, dann sind es aber schon
einmal 3 Straßen in denen das Auto nicht von einem Huckel zum nächsten
Loch springt. Vernünftige Straßen sind ein wichtiger Wohlfühlfaktor für uns alle.

Im Januar 2023 hatten wir auch wegen der gefährlichen Überquerung der
Bahnschienen durch Fußgänger die Fertigstellung des Durchstiches am
Bahnhof gefordert. Auch damit soll nun begonnen werden.
Schade, dass die Arbeiten nicht mehr im vergangenen Jahr durchgeführt
werden konnten, das neue Bundes-Bodenschutzgesetz macht den Aushub
vermutlich nicht günstiger.

Wir werden dem Haushalt in der jetzigen Form zustimmen.
Ohne höhere Zuschüsse oder Entlastungen von Bund und Land werden wir
einen dauerhaft ausgeglichenen Haushalt nicht darstellen können. Die
Unternehmen und Bürger sind am Rand der finanziellen
Belastungsobergrenze. Weitere Steuererhöhungen sind für uns nicht
tragbar. Stellen Sie sich mal vor, nur eine größere Firma verlässt Altena, weil
im Umland die Grund- und Gewerbesteuer erheblich niedriger ist…
Das Haushaltsdefizit würde sich sofort vergrößern, weil die Einnahmen
wegbrechen und die Ausgaben nahezu gleichbleiben.
Wir dürfen die Belastungen nicht auf die Spitze treiben.

Zum Schluss bleibt mir nur, dem Bürgermeister und den fleißigen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu danken, die an der Aufstellung des
Haushaltes mitgearbeitet haben. Ich glaube, dass es in diesem Jahr einige
Herausforderungen gab. Natürlich danke ich auch allen Beschäftigten der
Verwaltung für die geleistete Arbeit, für die gute und stets hilfsbereite
Zusammenarbeit mit uns.

Ich genieße die gute Zusammenarbeit in meiner Fraktion, bedanke mich
aber auch bei Euch, bei den Kolleginnen und Kollegen der anderen
Ratsfraktionen.

Ja, wir haben schon mal andere Vorstellungen, setzen andere Prioritäten.
Doch am Ende haben wir bisher immer einen gemeinsamen und für alle
tragbaren Weg gefunden.

Daran können sich andere Länder und Konfliktparteien durchaus eine
Scheibe abschneiden.

Wir sollten diesen Weg so beibehalten.
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit